Die Thyssenkrupp-Aktie hat in den letzten Monaten für Aufmerksamkeit an den deutschen Börsen gesorgt. Mit einem Kursanstieg von knapp 19 % im letzten Monat und über 180 % im Jahresvergleich stellt sich für viele Anleger die Frage: Hat sich das Industrie-Urgestein aus dem Ruhrgebiet tatsächlich neu erfunden – oder handelt es sich nur um ein vorübergehendes Zwischenhoch? In diesem Artikel analysieren wir die aktuelle Kursentwicklung, fundamentale Kennzahlen sowie Chancen und Risiken der Thyssenkrupp-Aktie und klären, ob ein Einstieg derzeit lohnenswert ist.
Thyssenkrupp im Überblick
Thyssenkrupp ist eines der traditionsreichsten Industrieunternehmen Deutschlands mit einer über 200-jährigen Geschichte. Das Unternehmen entstand aus der Fusion von Thyssen und Krupp im Jahr 1999 und ist in verschiedenen Industrie- und Technologiebereichen tätig. Dazu gehören u. a. Stahlproduktion, Aufzugstechnik (bis zum Verkauf der Elevator-Sparte 2020), Marine- und U-Bootbau, Wasserstofftechnologie sowie Komponentenfertigung für die Automobilindustrie.
Nach jahrelanger Restrukturierung und Verkäufen von Unternehmenssparten konzentriert sich Thyssenkrupp heute stärker auf zukunftsträchtige Bereiche wie nachhaltige Industrieprozesse, grünen Stahl und Wasserstoffwirtschaft. Doch der Wandel ist komplex und bringt sowohl Risiken als auch Chancen mit sich – was sich auch in der Volatilität der Aktie widerspiegelt.
Aktuelle Kursentwicklung der Thyssenkrupp-Aktie
Am letzten Handelstag notierte die Thyssenkrupp-Aktie bei 10,83 Euro – ein Minus von 2,83 % im Tagesverlauf. Dennoch zeigt die mittelfristige Entwicklung eine deutliche Erholung:
- 1 Monat: +18,98 %
- 3 Monate: +12,02 %
- 1 Jahr: +180,79 %
Insbesondere im Jahresvergleich zeigt sich ein beeindruckender Turnaround. Die Aktie hat sich nahezu verdreifacht und notiert aktuell auf dem höchsten Niveau seit langer Zeit. Noch vor einem Jahr lag der Kurs bei rund 3,85 Euro.
Langfristig betrachtet bleibt jedoch ein deutlicher Verlust: Seit Beginn der Aufzeichnung ist die Aktie um 45,39 % gefallen. Das zeigt, wie tief der Absturz in der Vergangenheit war – und wie viel Vertrauen das Unternehmen erst wieder zurückgewinnen muss.
Chartanalyse: Trendwende oder Zwischenhoch?
Die Kursrallye der letzten Monate hat Thyssenkrupp aus einem langjährigen Abwärtstrend herausgeführt. Technisch betrachtet wurde ein klarer Aufwärtstrend etabliert, der jedoch auf dem Weg zu nachhaltigen Kurszuwächsen noch einige Widerstände überwinden muss. Die Region um 11,50 Euro könnte als kurzfristiger Widerstand fungieren, während bei einem Rückfall unter die Marke von 10,00 Euro wieder Vorsicht geboten ist.
Das Handelsvolumen liegt bei 4,2 Mio. Aktien pro Tag – ein Zeichen dafür, dass die Aktie unter Tradern derzeit sehr beliebt ist. Die Volatilität ist hoch, was Chancen für kurzfristige Kursgewinne bietet, aber auch das Risiko erhöht.
Bewertung der Thyssenkrupp-Aktie
Ein Blick auf die Bewertungskennzahlen zeigt die Schwierigkeit, den fairen Wert der Thyssenkrupp-Aktie zu bestimmen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt aktuell bei –6,68. Ein negatives KGV bedeutet, dass das Unternehmen derzeit keine Gewinne ausweist. Die Bewertung auf Basis klassischer Kennzahlen ist somit kaum möglich und erfordert einen stärkeren Fokus auf zukünftige Ertragsperspektiven.
Mit einer Marktkapitalisierung von rund 6,74 Mrd. Euro gehört Thyssenkrupp zu den mittelgroßen Industrieunternehmen im MDAX. Im Vergleich zu anderen europäischen Stahl- oder Rüstungskonzernen bleibt Thyssenkrupp trotz des Kursanstiegs vergleichsweise günstig bewertet – was spekulative Investoren anlocken könnte.
Dividende und Aktionärsstruktur
Die Effektivrendite liegt derzeit bei 1,39 %, was auf eine vorsichtige Dividendenpolitik hindeutet. Thyssenkrupp war in den vergangenen Jahren nicht als Dividendenaktie bekannt – auch bedingt durch Restrukturierungsmaßnahmen, hohe Investitionen und temporäre Verluste.
Zu den größten Anteilseignern zählt der staatlich unterstützte norwegische Staatsfonds sowie institutionelle Investoren wie BlackRock. Zudem gibt es Diskussionen über eine mögliche stärkere Beteiligung des Bundes – vor allem im Bereich Marine und sicherheitsrelevanter Technologien.
Chancen der Thyssenkrupp-Aktie
- Wasserstoff und grüner Stahl: Thyssenkrupp plant massive Investitionen in die Produktion von CO2-neutralem Stahl und hat sich im Bereich Wasserstofftechnologie als strategischer Akteur positioniert. Das Projekt „tkH2Steel“ gilt als Vorzeigeprojekt für grüne Industrieproduktion.
- Rüstungs- und Marinegeschäft: Die U-Boot-Sparte (Thyssenkrupp Marine Systems) profitiert von der sicherheitspolitischen Neuausrichtung in Europa. Neue Aufträge aus NATO-Staaten sorgen für Wachstum.
- Turnaround-Potenzial: Nach Jahren der Restrukturierung könnte das Schlimmste überstanden sein. Wenn es gelingt, nachhaltig profitabel zu wirtschaften, ist weiteres Kurspotenzial vorhanden.
- Mögliche Zerschlagung und Börsengänge von Sparten: Eine Ausgliederung oder ein IPO einzelner profitabler Sparten (z. B. Marine Systems) könnte den Unternehmenswert freisetzen.
Risiken für Anleger
- Negative Ertragslage: Ein KGV von –6,68 spricht eine klare Sprache: Thyssenkrupp macht operativ weiterhin Verluste. Sollten sich die Hoffnungen auf operative Verbesserungen nicht erfüllen, drohen Rückschläge.
- Zyklizität und Konjunkturabhängigkeit: Als Industrie- und Stahlkonzern ist Thyssenkrupp stark abhängig von der Weltwirtschaft. Eine Rezession oder ein Nachfragerückgang in Schlüsselindustrien würde sich negativ auswirken.
- Kostenrisiken und Rohstoffpreise: Die Energiepreise und die Preise für Rohstoffe wie Eisenerz und Koks beeinflussen die Marge massiv. Eine volatile Preisentwicklung kann die Profitabilität bedrohen.
- Politische Risiken: Die Zusammenarbeit im Bereich Rüstung und Subventionen für Wasserstoffprojekte hängen stark von politischen Rahmenbedingungen ab.
Fazit: Lohnt sich ein Einstieg in die Thyssenkrupp-Aktie?
Die Thyssenkrupp-Aktie ist zurück auf dem Radar vieler Anleger – und das nicht ohne Grund. Die starke Kursperformance der letzten zwölf Monate, das Engagement in Zukunftstechnologien und die Aussicht auf eine profitablere Zukunft machen das Papier interessant.
Gleichzeitig bleibt das Investment spekulativ. Das negative KGV zeigt, dass wirtschaftlich noch nicht alles rund läuft. Wer einsteigt, sollte sich der Risiken bewusst sein und mit Schwankungen rechnen.
Für langfristig orientierte Anleger mit Risikobereitschaft bietet sich jedoch eine spannende Turnaround-Story mit möglichem Hebel auf Industrie, Sicherheit und nachhaltige Transformation. Eine genaue Beobachtung der nächsten Quartalszahlen und strategischen Entscheidungen ist entscheidend, um Potenziale rechtzeitig zu erkennen.
Handlungsempfehlung: Für spekulativ orientierte Anleger mit mittel- bis langfristigem Anlagehorizont kann ein erster Einstieg in Tranchen sinnvoll sein – insbesondere bei Kursrücksetzern unter 10 €. Wer auf strukturelle Trends wie Wasserstoff, grünen Stahl und europäische Sicherheitsprojekte setzen möchte, findet mit Thyssenkrupp ein spannendes, wenn auch volatiles Investment. Eine Beimischung im Depot kann sich lohnen – idealerweise ergänzt durch fundamental stärkere Industrieaktien zur Risikostreuung.
FAQ – Häufige Fragen zur Thyssenkrupp-Aktie
Wie hat sich die Thyssenkrupp-Aktie im letzten Jahr entwickelt?
Die Aktie ist im Jahresverlauf um über 180 % gestiegen – von etwa 3,85 € auf 10,83 €.
Ist Thyssenkrupp aktuell profitabel?
Nein, das Unternehmen weist ein negatives KGV (–6,68) auf, was auf operative Verluste hinweist.
Gibt es eine Dividende?
Ja, aber auf niedrigem Niveau. Die aktuelle Dividendenrendite beträgt 1,39 %.
Was spricht für einen Einstieg?
Turnaround-Potenzial, Engagement im Wasserstoffbereich, mögliche Zerschlagung oder Ausgliederungen sowie Wachstumschancen im Rüstungssegment.
Welche Risiken bestehen?
Zyklische Geschäftsentwicklung, politische Unsicherheiten, volatile Rohstoffpreise und anhaltende operative Verluste.
Wo steht die Aktie im historischen Vergleich?
Langfristig gesehen liegt der Kurs rund 45 % unter dem historischen Höchststand, was auf Erholungspotenzial, aber auch auf vergangene Probleme hinweist.