Kaum ein europäisches Fintech hat die internationale Aufmerksamkeit derart auf sich gezogen wie Klarna. Das 2005 in Stockholm gegründete Unternehmen hat es geschafft, den Onlinehandel nachhaltig zu verändern. Mit seinem „Buy now, pay later“-Prinzip (BNPL) wurde es für Millionen von Konsumenten zum Synonym für unkompliziertes Bezahlen im Internet. Nun steht das nächste große Kapitel an: der Börsengang in New York.
Die Nachricht, dass Klarna im Herbst 2025 an die Börse geht, hat sowohl Investoren als auch Wettbewerber aufhorchen lassen. Denn einerseits ist das Unternehmen in einer Position, in der es über eine enorme Nutzerbasis und starke Markenbekanntheit verfügt. Andererseits gibt es erhebliche Zweifel an der Profitabilität und an der langfristigen Tragfähigkeit des Geschäftsmodells. Während einige Beobachter das IPO als wegweisenden Schritt für den gesamten europäischen Fintech-Sektor betrachten, warnen andere vor überzogenen Erwartungen. In diesem Beitrag wird daher nicht nur ein Überblick über die wichtigsten Fakten zum geplanten Börsengang gegeben, sondern auch ein tiefer Einblick in die Chancen und Risiken, die mit einer Investition verbunden sind.
1. Klarna – vom Start-up zum globalen Fintech-Schwergewicht
Um die Bedeutung des IPOs zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück auf die Unternehmensgeschichte. Klarna wurde von den Studenten Sebastian Siemiatkowski, Niklas Adalberth und Victor Jacobsson gegründet. Die Idee war von Beginn an, den Onlineeinkauf für Konsumenten sicherer und bequemer zu machen, indem Zahlungen nicht sofort beim Kauf, sondern erst später fällig wurden. Dieses Modell erwies sich als äußerst attraktiv für Käufer, die Flexibilität schätzen, aber auch für Händler, die so ihre Verkaufszahlen steigern konnten.
In den darauffolgenden Jahren entwickelte sich das Start-up zu einem dominanten Player auf dem europäischen Markt. Schon früh wurde das Geschäftsmodell international ausgerollt. Zunächst konzentrierte man sich auf Europa, später folgte der Schritt in die USA, wo Klarna mittlerweile Millionen von Nutzern zählt. Auch Deutschland wurde zu einem Schlüsselmarkt, da hier viele große E-Commerce-Unternehmen mit Klarna kooperieren.
Mit dem Wachstum erweiterte das Unternehmen sein Produktportfolio. Heute bietet es nicht nur BNPL an, sondern auch Debitkarten, eigene Shopping-Apps mit personalisierten Empfehlungen, Cashback-Programme, Sparfunktionen und sogar Mobilfunkverträge. Diese Diversifizierung zeigt, dass Klarna nicht länger nur ein Zahlungsdienstleister ist, sondern eine Plattform, die auf eine engere Bindung zwischen Konsumenten und Handel abzielt. Das Unternehmen positioniert sich zunehmend als digitale Finanz-Super-App, die weit mehr als nur Zahlungsverkehr abwickelt.
2. Finanzielle Entwicklung und Bewertungsschwankungen
Das enorme Wachstum spiegelte sich lange Zeit auch in der Bewertung wider. 2021, in einer Phase der Euphorie für Fintechs, wurde Klarna mit rund 45 Milliarden US-Dollar bewertet – ein Rekord für ein europäisches Start-up. Doch wie viele andere Technologieunternehmen musste das Fintech in den darauffolgenden Jahren erhebliche Abwertungen hinnehmen.
Die Ursachen sind vielfältig: steigende Zinsen, verschärfte regulatorische Diskussionen um BNPL-Modelle, ein schwieriger Kapitalmarkt und nicht zuletzt hohe operative Verluste. Im Jahr 2025 liegt die geplante Bewertung nur noch zwischen 12,5 und 14 Milliarden US-Dollar – also rund zwei Drittel unter dem Höchstwert. Dies zeigt deutlich, wie stark die Marktbedingungen und die Investorenstimmung geschwankt haben.
Die Umsätze stiegen zwar kontinuierlich, aber die Verluste sind weiterhin hoch. Im zweiten Quartal 2025 betrug das Minus rund 52–53 Millionen Dollar, nachdem im Vorjahreszeitraum noch etwa 18 Millionen Dollar Verlust ausgewiesen wurden. Zwar betont das Management, dass Investitionen in Expansion und Technologie die Grundlage für künftiges Wachstum seien, doch Anleger verlangen zunehmend einen klaren Fahrplan hin zur Profitabilität.
3. Details zum geplanten Börsengang in New York
Der Börsengang ist nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für den gesamten Fintech-Sektor ein bedeutendes Ereignis. Insgesamt sollen 34,3 Millionen Aktien ausgegeben werden, zu einem Preis zwischen 35 und 37 US-Dollar. Damit will Klarna bis zu 1,27 Milliarden US-Dollar einnehmen. Der Schritt an die New Yorker Börse ist strategisch sinnvoll: Der US-Markt ist nicht nur einer der wichtigsten für das Unternehmen, sondern auch der größte Kapitalmarkt der Welt, der die bestmögliche Sichtbarkeit und Liquidität bietet.
Begleitet wird der IPO von den Schwergewichten der Investmentbanken: Goldman Sachs, J.P. Morgan und Morgan Stanley. Ihre Beteiligung ist ein Signal dafür, dass der Markt dem Listing große Bedeutung beimisst. Zugleich schafft sie Vertrauen, da diese Banken über langjährige Erfahrung mit großen Tech-Börsengängen verfügen.
Der Börsengang erfolgt in einem Marktumfeld, das sich nach einer längeren Flaute wieder aufhellt. 2025 gab es mit Unternehmen wie Figma oder Bullish bereits erfolgreiche Listings, die zeigen, dass Investoren wieder bereit sind, in Wachstumsstories zu investieren. Dennoch bleibt die Bewertung im Fall von Klarna umstritten. Manche Analysten sprechen sogar von „hysterisch hoch“, da die Gewinne bisher ausbleiben und regulatorische Risiken groß sind.
4. Chancen und Potenzial
Das Potenzial des Unternehmens liegt vor allem in seiner starken Marke und in der Größe seiner Nutzerbasis. Weltweit nutzen über 150 Millionen Konsumenten die Dienste, und die Händlerseite wächst kontinuierlich. Gerade in einer Generation, die digitale Lösungen bevorzugt und zunehmend Kreditkarten umgeht, könnte Klarna seine Marktstellung festigen.
Die Diversifizierung in neue Geschäftsbereiche wie Karten, Shopping-Plattformen oder Mobilfunk eröffnet zusätzliche Einnahmequellen. Darüber hinaus profitiert das Unternehmen von Netzwerkeffekten: Je mehr Händler und Konsumenten sich für die Plattform entscheiden, desto attraktiver wird sie für weitere Partner. Dies schafft eine Art selbstverstärkenden Kreislauf, der langfristig hohe Eintrittsbarrieren für Wettbewerber bilden kann.
Hinzu kommt, dass der BNPL-Markt global zweistellig wächst. In den kommenden Jahren dürfte sich dieser Trend fortsetzen, insbesondere durch die Verlagerung von Konsumausgaben in den Onlinebereich. Damit könnte Klarna eine Positionierung in einem der dynamischsten Finanzsegmente gelingen.
5. Risiken und kritische Punkte
Auf der anderen Seite sind die Risiken nicht zu unterschätzen. BNPL steht seit einiger Zeit in der Kritik, weil es Konsumenten verleiten kann, über ihre Verhältnisse zu leben. In einigen Ländern wird bereits über strengere Regulierungen nachgedacht, die das Geschäftsmodell belasten könnten. Für Investoren stellt dies ein erhebliches Unsicherheitsmoment dar, da regulatorische Eingriffe sowohl die Nachfrage als auch die Margen massiv beeinflussen könnten.
Ein weiteres Risiko ist die Konkurrenz. Mit Affirm in den USA, PayPal mit seinem Ratenzahlungsmodell und klassischen Banken, die zunehmend ähnliche Lösungen anbieten, ist der Wettbewerb enorm. Margendruck und Preiskämpfe könnten die Profitabilität weiter hinauszögern.
Nicht zuletzt bleibt die finanzielle Situation angespannt. Solange das Unternehmen keine nachhaltigen Gewinne ausweist, wird die Bewertung kritisch hinterfragt. Ein IPO zu einem Zeitpunkt, an dem die Verluste steigen, birgt die Gefahr, dass Investoren kurzfristig auf schnelle Kursgewinne hoffen, aber mittelfristig enttäuscht werden.
6. Langfristige Perspektiven
Langfristig hängt der Erfolg davon ab, ob Klarna es schafft, sich von einem reinen Zahlungsanbieter zu einem umfassenden Ökosystem für digitale Finanzdienstleistungen zu entwickeln. Der Weg in Richtung „Super-App“ könnte dabei entscheidend sein. Wenn es gelingt, verschiedene Dienstleistungen – vom Einkauf über die Bezahlung bis hin zu Spar- und Investitionsmöglichkeiten – in einer Plattform zu vereinen, könnte Klarna nicht nur im Fintech-Bereich, sondern im gesamten digitalen Alltag seiner Nutzer eine zentrale Rolle einnehmen.
Die Vision, ein europäisches Gegenstück zu asiatischen Super-Apps wie WeChat oder Grab aufzubauen, ist ambitioniert. Sie könnte jedoch die Basis für eine stabile und langfristig profitable Plattform sein. Dafür sind aber erhebliche Investitionen in Technologie, Infrastruktur und Marketing notwendig. Gleichzeitig muss das Vertrauen der Konsumenten gestärkt werden, da die Akzeptanz von BNPL auch durch mögliche Verschuldungsrisiken unter Druck geraten kann.
7. Fazit zum Börsengang von Klarna
Der Börsengang von Klarna markiert zweifellos einen Meilenstein in der europäischen Fintech-Geschichte. Während Unternehmen wie PayPal, Stripe oder Affirm längst bekannte Größen am Kapitalmarkt sind, wagt nun auch das schwedische Vorzeige-Start-up den Schritt an die Wall Street. Die Ausgangslage ist zwiespältig: Auf der einen Seite stehen eine starke Marke, Millionen von Nutzern und ein dynamisch wachsender Markt. Auf der anderen Seite lasten hohe Verluste, regulatorische Unsicherheiten und ein intensiver Wettbewerb auf dem Geschäftsmodell.
Für Anleger bedeutet dies, dass sie genau abwägen müssen. Der IPO könnte eine Chance sein, frühzeitig in ein Unternehmen einzusteigen, das langfristig das Potenzial hat, zu einem globalen Fintech-Champion zu werden. Gleichzeitig ist es aber auch ein Investment in eine Firma, die noch nicht bewiesen hat, dass sie nachhaltig profitabel wirtschaften kann. Wer investiert, sollte sich der Risiken bewusst sein und einen langen Atem mitbringen.
Letztlich ist der Börsengang nicht nur ein Test für das Unternehmen selbst, sondern auch für den gesamten Fintech-Sektor in Europa. Gelingt es, Investoren zu überzeugen und langfristig erfolgreich zu sein, könnte dies als Blaupause für andere Start-ups dienen, die den Sprung auf die internationale Bühne wagen wollen. Scheitert das Projekt, würde es die Skepsis gegenüber jungen, noch nicht profitablen Tech-Unternehmen weiter verstärken. Der Ausgang ist offen – sicher ist nur, dass die Finanzwelt in den kommenden Monaten genau hinschauen wird.
FAQ
Wann findet der Börsengang statt?
Geplant ist der IPO im September 2025 an der New Yorker Börse.
Wie hoch ist die Bewertung?
Zwischen 12,5 und 14 Milliarden US-Dollar, deutlich weniger als in der Hochphase 2021.
Wie viel Kapital soll aufgenommen werden?
Bis zu 1,27 Milliarden US-Dollar durch den Verkauf von 34,3 Millionen Aktien.
Welche Banken begleiten den IPO?
Goldman Sachs, J.P. Morgan und Morgan Stanley.
Welche Risiken gibt es?
Hohe Verluste, starker Wettbewerb und mögliche regulatorische Einschränkungen.
Disclaimer
Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken. Er stellt keine Anlageberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Die dargestellten Informationen beruhen auf öffentlich zugänglichen Quellen, für deren Vollständigkeit und Richtigkeit keine Gewähr übernommen wird. Investoren sollten eigene Recherchen durchführen und sich im Zweifel an einen unabhängigen Finanzberater wenden.